Bleib
Trauer-Slam einer Mutter
Wenn mein Herz in tausend Stücke springt
Bleib hier
Wenn der Himmel nur noch Tränen singt
Bleib hier
Sieh mich.
Und geh nicht
Bleib einfach bei mir.
Bleib mit mir
Hier
unten am Boden
bin froh, einen Grund zu haben
denn so oft träum ich, dass ich einfach
falle und falle
und Niemand hält mich,
nichts fängt mich auf.
Dann werd ich wach.
Ich kann jetzt nicht
hinter den Horizont sehn
für mich ist ́s als würde die Welt vergehn
Ich bin jetzt hier
am Boden.
In meinem Scherbenhaufen
zwischen all meinen Tränen
meinem Warum
und dem ich weiß nicht wohin und wozu
geh nicht
und sieh mich.
Schau nicht weg,
bleib einen Moment.
Schon mich nicht
mit gutgemeinten Worten
die mir helfen sollen,
über mein Warum hinweg zu sehen,
oder gar eine Antwort zu finden,
einen Sinn in alldem
tröste mich nicht
mit leeren Floskeln
die meinen, über meinen Schmerz
hinaus zu glauben
Du hilfst mir nicht auf mit
„Ich kenn das, ich war, wo du jetzt bist“
Und dann erzählst du deine Geschichte
als wäre es auch meine
Nein
das hier ist nicht dein Schmerz
und nicht deine Trauer
Nicht dein Vermissen
Es ist mein Herz –
mein Herz ist zerrissen
Niemand weiß besser
Wie´s mir geht und was mir hilft
Ich weiß das selbst grad nicht
Das hier
Ist alles neu für mich
Neuer als für dich.
Bitte sieh mich
Und geh nicht –
Alles hält mich
An diesem einen Flecken Erde
An dem ich für immer
Ein neuer Mensch werde
Weil alles sich ändert:
Die Zeit ist entzwei
Und ich bin dazwischen
Zwischen davor und danach
Wie im davor wird es niemals mehr
Und was das Danach bringt
Daran will ich nicht denken
das schmerzt viel zu sehr
Was bleibt ist das Jetzt
Und jetzt bin ich hier
Unten am Boden
Und du mit mir
Ich brauch dich und dass du bleibst
Mit deinem Schweigen und deinen Gedanken
Es hilft mir, dass du sagst:
ich habe keine Worte, wenn du keine hast
schweigende Worte sind für mich kein Grab
sondern eine Brücke
Riss für Riss von dir zu mir
Wenn mein Herz in tausend Stücke springt
Bleib hier
Wenn der Himmel nur noch Tränen singt
Bleib hier
Sieh mich.
Und geh nicht
Bleib einfach hier
bei mir.
„Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.“ Die Bibel, Hiob 2.11+13
Text: Andrea Kuhla
Foto: Julia Vogel
