Teil der Statistik

und weshalb Trauer in keine Statistik passt

 

„Ich lese die statistische Erhebung zu klinischen Tot- und Fehlgeburten in Deutschland aus dem Jahr 2015.“

 

Wegen Felix bin ich heute Teil dieser Statistik: 

im Jahr 2015, im Felix-Jahr, wurden in Deutschland 2787 Babys tot (mit einem Gewicht von über 500g oder ab der 24. Schwangerschaftswoche) geboren (178 waren es allein in Berlin). Felix war mit einem Alter von 38+6 Schwangerschaftswochen eines von diesen Kindern. 

Im selben Jahr erlitten (statistisch erfasst) 32.195 Menschen eine sog. späte Fehlgeburt (nach der 12. Schwangerschaftswoche). Endete etwa jede dritte Schwangerschaft vor der 12. Woche in einem Verlust. Und wurden deutschlandweit 1352 Säuglingssterbefälle von Babys gezählt, die bis zu sieben Tage alt wurden. 

 

„Doch in Wirklichkeit passt all das, was ich in meiner Trauer um mein totes Kind erlebe, in keine Statistik.“



So vieles weiß diese Statistik nicht: Babys, die noch später sterben. Kleine Leben, die sich zu Hause oder unterwegs verabschiedeten. Babys, die gewünscht waren und gar nicht erst ihren Anfang nahmen. Oder Gründe für schwierige und frühzeitige Abschieds-Entscheidungen.

All diese unsichtbaren Dinge, das verborgene Elternsein, es passt in keine Statistik. Wegen Felix passt meine ganze Trauer, all der Schmerz, die Sehnsucht und jäh zerstörte Hoffnung – diese ganze Liebe, die meine die Seele zerriss und mein Herz in tausend Stücke zerspringen ließ – wegen Felix passt das in keine Statistik. 

 

„Trotzdem ist es so gut und wichtig, voneinander zu wissen, denn das gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein mit meiner Trauer.“



Wegen Felix bin ich nicht die Mutter eines Sterns. Oder eines Schmetterlings oder eines Engels. Sondern einfach seine Mama. MitOhne Felix noch am Lieben und Leben. 

Wegen Felix gehöre ich heute und seit über sieben Jahren dazu. Zu diesem Club der Sternenkindeltern, froh um so viel Nähe und Schulterschluss. Und ok mit mancher Distanz in dieser Nähe – denn was mich tröstet, muss dich nicht trösten und umgekehrt. Wir kennen unsere Worte und Orte, die uns gut tun und in denen wir uns geborgen und gefunden wissen.

 

Text: Andrea Kuhla, Bild: Julia Vogel

Foto: Julia Vogel