Das Glück der Anderen

Begegnung mit einer verwaisten Mama

Ich war kurz vorm Mutterschutz, als der Anruf kam: Kim, würdest du eine Trauerfeier übernehmen? Es geht um ein Baby. Es ist wenige Tage nach der Geburt gestorben. 


Ich sagte zu. Unter Vorbehalt. Mein Neunmonatsbauch ließ sich kaum noch verstecken. Konnten Eltern, die gerade den Tod ihres Babys verkraften mussten, mit dem Anblick einer hochschwangeren Frau zurechtkommen? Ich rief sie an. Schilderte die Situation. Sagte ihnen, ich sei selbst eine Himmelskindmama, aber eben gerade deutlich sichtbar schwanger. Sie erbaten sich einen Tag Bedenkzeit. Dann entschieden sie sich dafür, dass ich sie beim Abschiednehmen begleiten möge. Ich besuchte sie daheim. Im Flur hing dieselbe Umstandsjacke, wie ich sie trug. Ich hätte heulen können. Also eigentlich tat ich es auch. Ich versuchte meinen Bauch zu kaschieren. So gut es ging. 


Noch nie war ich froher und dankbarer über meinen weiten sackartigen Talar wie an dem Tag, als ich für dieses Himmelskind und seine Familie auf dem Friedhof stand. 

Nach der Trauerfeier traf ich mich noch einige Male mit der Himmelskindmama. Zum Spazierengehen. Ich inzwischen ohne Babybauch. Sie mit dem Wunsch nach Orten, die möglichst frei von werdenden oder neugeborenen Eltern waren. Es tue weh, sagte sie. Sie wolle nicht deren Schwangerschaft. Sie wolle auch nicht deren Kinder. Sie wolle ihr Kind zurück. Aber es tue weh zu sehen, was die anderen haben. Und sie niemals haben werde. Nicht mit diesem Kind, das sie so sehr vermisste.

Text: Kim Thiem, Foto: Andrea Kuhla