„Es war, als ob ein Teil von mir noch immer in diesen Situationen und bei meinem Kind wäre – obwohl ich doch schon lange wieder scheinbar völlig normal meinen Alltag lebte“
Lange Zeit fühlte es sich nach Felix Tod so an, als wäre ein Teil von mir bei meinem Kind geblieben – im Krankenhaus, bei der Geburt, bei seiner Bestattung – in all diesen einschneidenden Situationen, in denen ich seinen Verlust mit jeder Faser meines Körpers, mit jeder Pore meiner Seele durchlebte und zu begreifen versuchte. Aber ein Teil von mir kam nicht hinterher. War im Schock, am Boden, ohne Kraft und konnte nicht verstehen noch verarbeiten. Darum blieb er dort. Ich habe ihn viel später in meiner Traumatherapie mühsam in mein Jetzt zurückgeholt. Und gelernt, dass Trauer und Trauma sich unterscheiden – auch, wenn sie dann und wann Hand in Hand wie Geschwister daherkommen:
„Trauma ist, wenn Haltlosigkeit bleibt.
Trauer weiß sich irgendwann im Gehaltensein.“
Ein Verlust in der Schwangerschaft (übrigens egal ob vorhergesehen, entschieden oder plötzlich und unvorhergesehen) und rund um die Geburt ist für die meisten betroffene Eltern ein traumatisches Erlebnis. Der Körper speichert es entsprechend: um sich selbst strategisch zu schützen legt das Gehirn die Ereignisse in die „Hauptsache überleben“- Fächer ab. Sie können nicht gut oder gar nicht verarbeitet werden und bestimmte Regionen im Gehirn, die z. B. für Kreativität zuständig sind, werden mit „Überleben“ und „Notfall“ besetzt (denn genau dann ist Kreativität gefordert).
„In meiner Therapie habe ich vil über mein Gehirn und meine Nervemsytem gelernt. Meine Therapeutin meinte immer, dass man sich dass ein bisschen so vorstellen kann, wie eine (Um-)Sortierung innerer Regalfächer“
Diese provisorische und notgedrungene Umsortierung der „Regalfächer“ belastet das Nervensystem: es fiel mir unglaublich schwer, bewusst und gewählt im Hier und Jetzt zu sein und zu bleiben. Ich verlor mich immer wieder in den nicht integrierten Schock-Situationen und hatte Flash-Backs.
„Es hat lange gedauert, bis ich mich auf eine Traumatherapie einlassen konnte. Doch letztlich hat sie sehr geholfen, zu halten, was unhaltbar ist“
Anfangs wollte ich keine Trauma-Therapie machen. Ich hatte Angst, meine Trauer hergeben zu müssen und das wollte ich nicht. Sie war doch der Ort der Liebe zu meinem Kind! Doch irgendwann wurde es schier unerträglich mit dieser ständigen Schwere und Haltlosigkeit zu leben. Ich hatte das Gefühl, stückweise verloren zu gehen. Durch die Therapie konnte ich buchstäblich sehen, wo ich geblieben war. Und ich habe ich gelernt, dass meine Trauer gehalten ist. Dass ich selbst sie halten kann.
Text und Bild: Andrea Kuhla