Vom Verlust eines Kindes, von Elternschaft, Trauer und Liebe: ein autobiographischer Roman

Yannic Han Biao Federer:
Für immer seh ich dich wieder

Suhrkamp Nova, 2025, 9783407866752, 20€

„Dieses Buch hat mich in meiner eigenen Geschichte berührt“
 
Dieses Buch hat mich an meiner Vilma-Wunde berührt. Die ist 13 Jahre alt und gehört zu mir wie ein Körperteil. Dass Vilma und ich während der Schwangerschaft Zellen ausgetauscht haben, etwas von mir tatsächlich, so wie ich es auch fühle, mit ihr gestorben ist, und etwas von ihr bis an mein Lebensende weiterlebt und Vilmas Existenz nachweisbar bleibt, das habe ich erst vor Kurzem staunend gelernt. Darüber sprechen auch Charlotte und Yannic, Gustavs Eltern, der kurz vor dem Geburtstermin stirbt. 
 
„Beim Lesen war es, wie in einen Spiegel zu schauen“
 
Solche Bücher zu lesen ist für mich wie in einen Spiegel schauen. Meine umformulierten Gedanken  und Gefühle finden in den Worten anderer Gestalt. Einiges verbindet mich mit Yannic Han Biao Federer. Aber auch das, was wir unterschiedlich wahrnehmen, entscheiden oder werten, schätze ich, weil ich mich darin selbst spüre, wenn die Resonanz ausbleibt. Wie bei einer Fehlersuchaufgabe, wenn sich zwei Bilder sehr ähneln, aber doch unterschiedlich sind. 
 
„Es gibt darin viele Gemeinsamkeiten mit meiner eigenen Geschichte“
 
Hier ist meine Liste der Übereinstimmungen von Gustavs und Vilmas Geschichte:
– sie sind erste Kinder für ihre Eltern
– sie sind unerwartet kurz vor dem Geburtstermin gestorben
– wir waren als Eltern aus tiefstem Herzen dankbar für fremde Menschen, zum Beispiel vom Klinikpersonal, die uns Gutes getan haben 
– wir hatten das Bedürfnis, allen schnell vom Tod unseres Kindes zu erzählen 
– wir hatten viele Menschen, eine große Wolke an Geborgenheit um uns bei der Beerdigung
– wir wurden müde von den Enttäuschungen über bürokratische Unbeholfenheit
– Menschen vertrauten uns die Geschichten ihrer gestorbener Kinder an
– wir fanden Halt in Traditionen
– wir hatten feine Antennen dafür, was zu glauben sich stimmig anfühlt (Sinn: NEIN!, Wiedersehen: JA!)
– die Liebe zu dem Kind und die Trauer verbindet uns als Paar und wir halten (uns) aneinander fest
 
„Die Chats haben mich besonders beeindruckt“
 
Ich möchte noch erwähnen, dass die Chats zwischen Yannic und seinen Freund*innen und Familienangehörigen mich beeindruckt haben. In der Nähe und Offenheit steckt viel Geborgenheit. Nicht alleine zu sein, mich nicht einsam zu fühlen in meiner Trauer, das hat auch mir vor 13 Jahren Lebensmut geschenkt. Mut, mein Leben weiterzuleben. 
 
„Ich konnte sehen, wer ich nach Vilmas Tod war“
 
Im Spiegel von „Für immer seh ich dich wieder“ habe ich betrachtet, wer ich in Vilmas Schwangerschaft und in der schrecklichen Zeit nach ihrer Geburt war. Viele Gedanken und Gefühle waren mir vertraut, manche haben mich lange nicht mehr besucht gehabt. Und ich habe etwas Neues in mir entdeckt dank dem Buch, ich wusste noch nicht, dass ich das in mir trage:
 
„Und doch, gelegentlich, oder sogar oft, vermisse ich diesen Zustand, verkläre ihn vielleicht auch, aber sehne mich nach ihm, in Stücke geschlagen, wirr und verloren, dass es mich schüttelt – also die Fassung zu verlieren, sie wieder abwerfen zu können, für einen Moment nur. Weil es war eine Nähe und Wärme, eine umstülpende Liebe, an der ich hätte verglühen und vergehen müssen, hätte ich mich ihr länger hingegeben, fassungslos.“
 
„Ein berührendes, echtes und ehrliches Buch.“
 
Ich bin Yannic Han Biao Federer dankbar, dass er Gustavs, Charlottes und seine Geschichte aufgeschrieben, ihr eine Fassung gegeben hat, und dass ich sie lesen konnte.